In Zeit von COVID-19 sehen sich nicht nur Aktienanleger mit Kursverlusten konfrontiert. Sondern auch Anleger, die der Meinung waren eine (vermeintlich) besonders „sicherere“, von Börsenkursen „unabhängige“ und „breit aufgestellte“ Veranlagung getätigt zu haben, haben überraschend massive Verluste zu beklagen. So hat bspw. der Preisverfall beim Öl-Preis für Kleinanleger und private Trader überraschend massiv negative Auswirkungen in ETF‘s und Investmentfonds.

Rechtsanwalt Mag. Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M. gilt als Experte in Fragen des Rückersatzes von Veranlagungsschäden im Bereich Sach-, Wertpapier- oder Versicherungsveranlagungen.  Nachfolgend ein kurzer Leitfaden durch den Juristen-Dschungel für Betroffene, die sich die Frage stellen, ob die damals erworbene Veranlagung tatsächlich hält was versprochen wurde:

Bei der Geltendmachung Ersatzansprüchen aus Veranlagungsschäden sind einige wichtige Punkte, insbes. mitunter trickreiche Fristenläufe zu beachten. Ebenso gilt es die oft für einen Erfolg der Rückforderungsstrategie des Anlegers entscheidende Fragen Wer? Weshalb? Wann? Wofür? zur Verantwortung gezogen werden kann, zu beantworten.

Der nachfolgende Leitfaden gilt, ohne Anspruch auf Vollständigkeit, grds. für sämtliche Veranlagungsformen wie,

  • Sachwertveranlagungen (Schiff,- u. Immobilienfonds, Edelmetallveranlagungen,)
  • Wertpapiere (Investmentfonds, Aktien, Zertifikaten) und in
  • Versicherungsprodukte verpackte Anlageprodukte (fondgebundene Lebensversicherungen)

Grundlegendes: Wann liegt im Sinn der Rechtsprechung ein „Schaden“ vor?

Entscheidend ist, dass nach der Jurisprudenz idR nicht der Kurs/Wertverfall der Veranlagung den Schaden darstellt, sondern bereits das Erwerben oder Halten einer Veranlagung, die das unerwünschte Risiko eines (solchen) Wertverlustes in sich birgt, stellt für sich bereits den Schaden dar; dh idR hat der Anleger den Schaden bereits seit Beginn der Veranlagung; er weiß es nur noch nicht (dies ist später für die Frage der Verjährung bedeutsam)!

Was kann der Anleger verlangen und welche Vorteile und Nachteile (Verfristungen) sind zu beachten?

Den Rückersatzanspruch des glücklosen Anlegers gründet sich idR auf einen oder mehrere der nachfolgenden Grundlagen:

  • Schadenersatz in Form der Naturalrestitution

Voraussetzung ist, dass der Anleger unrichtige- oder unvollständige Informationen zu wesentliche Eigenschaften (z.B. Sicherheit, Überprüfung durch Wirtschaft- und Bilanzprüfer, Zusammensetzung der Veranlagung, Risikoklasse der Veranlagung oder (verschwiegene) Kosten (auch laufende Kosten!)) der Veranlagung erhalten hat oder hätte informiert werden müssen. Voraussetzung ist ein Verschulden des Gegenübers, welches aber idR gesetzlich vermutet wird. Im Ergebnis kann der Anleger, vereinfacht gesagt, die unerwünschte Veranlagung dem verantwortlichen „Gegner“ (Bank, Emittent, Berater) zurückstellen und erhält im Gegenzug jene Veranlagung, die er bei korrekter und vollständiger Information gewählt hätte (sogn. Alternativveranlagung).

  • Vorteil dieser Strategie: Verjährungsfrist von 3 Jahren beginnt erst mit Kenntnis von Schaden und(!) Schädiger. In der Regel beginnt diese Frist daher erst zum Zeitpunkt zu dem der Anleger „leicht“ hätte erkennen können, dass die Veranlagung unerwünschte Eigenschaften/Risiken beinhaltet.
  • Nachteil dieser Strategie: ein ev. Mitverschulden des Anlegers kann zu einer Minderung des Schadenersatzes (idR nach der Judikatur 1/3-1/2 des Schadens) führen.
  • Sonderfall: Schadenersatzrechtliche Haftung des Abschlussprüfers wegen falscher Bilanzierung bzw. unrichtigem Bestätigungsvermerk

Oftmals haben Anleger (auch) darauf vertraut, dass Wirtschafts- und Bilanzprüfer ihre Pflichten ordnungsgemäß erfüllt haben. Doch die Vergangenheit hat gezeigt, dass eine Vielzahl von Anlegerschäden im Vorfeld hätten verhindert werden können, wenn dieser Anspruch auch eingehalten worden wäre.

Von Wirtschaftsprüfern, Notaren und Bilanzerstelllern leichtfertig bzw. unrichtig ausgestellte Bestätigungen waren daher Grundlage für eine Vielzahl von erfolgreichen Anlegerklagen der letzten Jahre! Kann daher der Anleger unter Beweis stellen, dass entweder er selbst oder ein Berater auf das Vorliegen einer „richtig durchgeführten Überprüfung“ der (Bilanzen) der Gesellschafft/Emittentin oder des (tatsächlichen) Vorhandensein von bspw. Sachwerten (Edelmetalle, Container, Immobilien,..) vertraut hat, so ist ebenso eine Schadenersatzanspruch gegen den Prüfer möglich.

Europarechtliche Vorgaben und die folgerichtige Judikatur des OGH helfen dabei österreichischen Anlegern Ihre Ansprüche (auch) gegen Prüfer im Ausland vor österr. Gerichten geltend zu machen!

  • Vorteil dieser Strategie: Verjährungsfrist von 3 Jahren beginnt erst mit Kenntnis von Schaden und(!) Schädiger. In der Regel beginnt diese Frist daher zu dem Zeitpunkt, zu dem der Anleger „leicht“ hätte erkennen können, dass die Prüfung, falsch war. Achtung: Höchstfrist bei Bilanzprüfern 5 Jahre ab Bilanzbestätigung, unabhängig vom Zeitpunkt der Kenntnis!
  • Nachteil dieser Strategie: ein ev. Mitverschulden des Anlegers kann zu einer Minderung des Schadenersatzes (idR nach der Judikatur 1/3-1/2 des Schadens) führen; teilweise sind kostenintensive Sachverständigengutachten zum Nachweis der Verfehlungen des Prüfers notwendig.
  • Anfechtung des Geschäftes wegen Irrtum

Voraussetzung ist, dass der Anleger zum Zeitpunkt des Erwerbes der Veranlagung einem Irrtum über wesentliche Eigenschaften (zB Sicherheit, Überprüfung durch Wirtschaft- und Bilanzprüfer, Zusammensetzung der Veranlagung, Risikoklasse der Veranlagung oder (verschwiegene) Kosten (auch laufende Kosten!)) der Veranlagung hatte. Erfolgreich ist die Irrtumsanfechtung insbes. dann, wenn das Gegenüber pflichtwidrig unrichtige oder unvollständige Informationen erteilt hat. Die Konsequenz einer so erfolgreichen „Irrtumsanfechtung“ führt zur „Aufhebung des Vertrages“ d.h., der Anleger erhält seine Investition (samt Zinsen) gegen Rückgabe der Veranlagung zurück.

  • Vorteile dieser Strategie: i) unterlassene Pflichtinformationen des Gegenübers führen idR zu einer erfolgreichen Anfechtung, wenn der Anleger beweisen kann, dass die unterlassenen Informationen Grundlage der Entscheidung des Anlegers war. ii) Kein Mitverschulden des Anlegers möglich!
  • Nachteil dieser Strategie: kurze Verjährungsfrist: 3 Jahre ab Vertragsschluss (unabhängig vom Schadenseintritt)
  • Anfechtung des Geschäftes wegen Arglist

Ist der Irrtumsanfechtung sehr ähnlich; allerdings: Irrtum muss vom Gegenüber „arglistig“ d.h.: bewusst unwahr (zivilrechtlicher Betrug) verursacht worden sein.

  • Vorteile dieser Strategie:  30-jährige Verjährungsfrist
  • Nachteil dieser Strategie: kurze Verjährungsfrist: 3 Jahre ab Vertragsschluss (unabhängig vom Schadenseintritt)

Beispiele aus der Praxis waren und sind von Investoren gewonnene Prozesse, betreffend dem von der Meinl Bank AG, nunmehr Anglo Austrian AAB AG, vertriebenen Produkt Meinl European Land (MEL), wissentlich unrichtige Angaben über die „Vollplatzierung der Kapitalerhöhung 2006“ bzw die „Investition in Immobilen“!

Wichtig: Fristenläufe – wann verfristet Rückersatzansprüche konkret?

Wir als Anwälte sind leider oft damit konfrontiert, dass (geschädigte) Anleger zu lange zuwarten, bis professioneller Rat eingeholt wird! Die Beurteilung der Frage, Wann? Welche? Gegen Wen? Ansprüche verfristet, erfordert eine komplexe Beurteilung der Gesamtsituation: beispielsweise kann der Fristenlauf durch sogn. Beschwichtigungsversuche des Schädigers „verlängert“ werden. Beispiele aus der Praxis sind dabei Aussagen des Verantwortlichen, die dem Anleger die Sicht auf den Schaden(eintritt) „verstellen“ bzw. dem Anleger glaubhaft machen, der Schaden sei noch nicht eingetreten.

Derartige „Exit-Strategien“ gegen den Einwand der Verjährung (durch den Gegner) sollten aber die absolute Ausnahme darstellen um drohend verjährt erscheinende Aussprüche gerade noch geltend machen zu können!

Mag. Dr. Wolfgang Haslinger, LL.M.

Die Wahl der Strategie und des rechtzeitigen(!) Zeitpunktes sich bei Experten Hilfe zu suchen ist daher für die Frage des Erfolges entscheidend.

Praxistipp: Jedem Anleger sei geraten sich bereits mit beginnenden „Unwohlsein“ über die Frage der richtigen Wahl seiner Veranlagung professionellen Rat einzuholen, da abgelaufene Verjährungsfristen andernfalls erfolgreiche Ersatzansprüche zunichtemachen.

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